14.11.10

Die Treue und das Leben in der geistigen Arbeit

Es gibt Menschen, die sehr treu, kontinuierlich und dauerhaft z.B. an Zweigen und Klassenstunden-Lesungen teilnehmen oder auch innere Übungen praktizieren. Sie pflegen eine gute Gewohnheit. Diese gute Gewohnheit bewirkt in tiefen Seelenregionen etwas, was im aktuellen Leben weniger zur Wirkung oder Erscheinung kommt.
Man könnte es im Bilde mit einem Baum vergleichen, der Jahr für Jahr seinen Stamm um einen Ring erweitert.
So wie der Jahresring eine gewisse Dauerhaftigkeit und Festigkeit bedeutet und bewirkt, so ist er doch zugleich auch eine Verhärtung, die das Leben stützen, aber nicht hervorbringen kann.

Blicken wir dagegen auf Zweig, Blatt, Blüte und Frucht, so empfinden wir dort gewaltige Lebensvorgänge; wir erleben Gedeihen und Vergehen, Farbe und Entfärbung, Süße und Fäulnis. Aber auch Ernte und Nahrung. Die Ruhe und Dauerhaftigkeit des harten Holzes, entspricht der Empfindung von Sicherheit. Die Dynamik der Lebensprozesse im Gegensatz dazu entspricht mehr dem Seelischen, den vielen Wechselfällen des Fühlens.

Doch braucht das rechte Geistesleben beides. Es braucht die Sicherheit von Rhythmus, Stabilität und Kontinuität als Grundlage. Aber es braucht auch das Dynamische des Lebendigen. Hier drückt sich das aus in Versuchen und Scheitern, in Irrtum und neuer Erkenntnis. Hat man aber in einem zusammenhängenden Prozess der geistigen Arbeit nicht das Gefühl, dass in einem selbst z.B. etwas erblüht ist, dann empfindet man einen seelischen Mangel, auch wenn man immer wieder erleben muss, dass diese Blüte schnell verwelkt. (Das ist gleichfalls eine Notwendigkeit!)

Man erlebt in der anthrop. Arbeit häufig die Angst vor diesem Lebensprozess. Man gibt der Sicherheit den Vorzug. Sicherheit, so empfinden viele, gibt einem das Werk Steiners, gibt einem überhaupt ein Buch. Das ist auch vergleichbar, dem heute verbreiteten Abschluss irgendeiner "Versicherung". Die Menschen meinen dann wirklich, dass ihnen dadurch irgendwie geholfen wäre.

Das ist aber alles nur Teil der Maja, der äußeren Scheinwelt und hat mit den wirkenden Realitäten nichts zu tun. In der Anthroposophie hat man dann immer nur das Tote, wenn man das Buch in den Mittelpunkt stellt. (Wobei das nicht negativ gemeint ist, sondern nur als eine sinnvolle Beschreibung einer Tatsache.)
Aber alle Sehnsucht der Menschen geht nach dem Leben, da man am Toten sowieso in dieser Welt genügend hat.
Für die Sicherheit ist es ausreichend, dass die Menschen Stabilität in Rhythmus und Kontinuität erstreben, es braucht dafür heute nicht mehr das Holz des Buches und den Ruß der schwarzen Buchstaben-Geister. Nur dann bildet sich eine wirksame Gemeinschaft (Stamm). In dieser muss aber dann sofort das Leben in allen Facetten sprießen. Es fließt aus den Seelen der Teilnehmenden.

Michael hilft, die Angst vor einem wirklich lebendigen Geistesleben zu überwinden. So erhalten die Seelen das Leben, was ihre Sehnsucht  erstrebt.

Man möchte rufen: Mehr Brot, weniger Holz !